Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse meiner Doktorarbeit. Die ausführliche Beschreibung der Ergebnisse finden Sie hier. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 StGB. Dieses Delikt weicht in drei Kriterien wesentlich von der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 StGB ab. Erstens muss das Opfer besonders schutzbedürftig sein. Diese Schutzbedürftigkeit ergibt sich bei Kindern nach der gesetzlichen Regelung bereits aus dem Alter. Zweitens muss ein besonderes Näheverhältnis zwischen Täter und Opfer bestehen. Drittens sind sehr hohe Anforderungen an die Tathandlung zu stellen.
Untersucht wurden alle Fälle aus drei Jahrgängen polizeilicher Akten, in denen wegen des Verdachts der Kindesmisshandlung ermittelt wurde. Eine Verurteilung wegen Kindesmisshandlung gemäß § 225 StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen) war dabei die absolute Ausnahme. Verurteilungen erfolgten dagegen in einigen (aber dennoch wenigen) Fällen wegen einfacher vorsätzlicher Körperverletzung oder gefährlicher Körperverletzung.
In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle wurde das Verfahren eingestellt. Mehrfach stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 153 StPO oder § 153a StPO ein. Eine Einstellung nach diesen Vorschriften erfolgte insbesondere dann, wenn die Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür gaben, dass der Tatbestand der Kindesmisshandlung (Misshandlung von Schutzbefohlenen) erfüllt war. Stattdessen lagen allenfalls vorsätzliche Körperverletzungen gemäß § 223 StGB oder fahrlässige Körperverletzungen gemäß § 229 StGB vor.
Die meisten Verfahren wurden abgeschlossen, indem sie gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden. Eine solche Einstellung des Verfahrens erfolgt, wenn keine Anklage erhoben wird, weil die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung gering ist. Wenn zwar aller Wahrscheinlichkeit nach eine Körperverletzung vorlag, aber das Opfer nicht aussagen wird, kann keine Verurteilung erfolgten. Diese Konstellation findet sich sehr häufig, weil Personen aus dem Täterkreis der Misshandlung von Schutzbefohlenen häufig ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO haben.
In einigen Fällen (mehr als 25 % aller Verfahren) stellte es sich jedoch aufgrund der Ermittlungsergebnisse als sicher heraus, dass gar keine Tat, auch keine Körperverletzung, vorgelegen hat. Behauptungen, die zu den polizeilichen Ermittlungen geführt haben, wurden erfunden. Die Opfer behaupteten die Taten, um von anderen Problemen, beispielsweise schlechten schulischen Leistungen, abzulenken. In Scheidungs- und Trennungssituationen behauptete ein Elternteil gelegentlich, dass das gemeinsame Kind vom anderen Elternteil misshandelt werde. Bezweckt waren damit eigene Vorteile im Streit um das Sorgerecht.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) erfasst nach der allgemein üblichen Definition das Hellfeld und damit die gesamte amtlich bekannte Kriminalität. Als Gegenstück umfasst das Dunkelfeld die Gesamtheit der nicht statistisch registrierten Kriminalität. Die Summe aus Dunkelfeld und Hellfeld soll demnach die tatsächliche Kriminalitätslage beschreiben.
Entscheidend dabei ist aber, dass die PKS eben nicht nur Kriminalität erfasst. Kriminalität umfasst nur Straftaten und die PKS enthält, wie oben erläutert, eben nicht nur Straftaten, sondern auch Sachverhalte, die sich als strafrechtlich nicht relevant erweisen. Damit wird die registrierte Kriminalitätslage überbewertet und Fälle ins Hellfeld einbezogen, die nach der Definition eigentlich nicht dazugehören.
Deswegen sind die Begriffe Hellfeld und Registerfeld zu unterscheiden. Das Registerfeld erfasst alle registrierten Sachverhalte (also das, was nach der üblichen Definition zum Hellfeld gehört). Das Hellfeld stellt die registrierten Taten dar, die tatsächlich strafrechtlich relevant sind. Bei diesem speziellen Delikt ergibt sich damit eine Abweichung von über 25%. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, beide Begriffe zu verwenden und nicht die Größe von Hellfeld und Registerfeld gleichzusetzen.