Einwilligung in Körperverletzung bei Operation

Urteil zur Einwilligung in Körperverletzung bei Operation

BGH 1 StR 320/12 (20.02.2013)

Der Angeklagte ist Arzt. Der Geschädigte litt an Leberzirrhose. Standard bei dieser Erkrankung ist die Leberzelltransplantation. Diese lehnte der Geschädigte ab. Auf der Suche nach alternativen Behandlungsmethoden kam er in Kontakt mit dem Angeklagten. Nach Sichtung der Krankenunterlagen bezeichnete der Angeklagte die Leberzelltransplantation als „letzten Rettungsanker“ und betonte, dass er „es trotz der geringen Erfahrungswerte“ versuchen wolle. Bei diesem Verfahren werden Leberzellen aus dem Leberzellgewebe des Patienten isoliert, kultiviert und in einer Biomatrix aufgebracht. Später werden sie in das Dünndarmmesenterium implantiert, wo sie die Leberfunktion unterstützen.

Es gab noch zwei weitere Aufklärungsgespräche und der Geschädigte erhielt schriftliches Informationsmaterial. Er war über Risiken und Chancen der Behandlungsmethode in Kenntnis gesetzt. Aber über einige Faktoren, die für die Beurteilung des medizinischen Nutzens relevant sind, war er nicht ausreichend informiert. Er erteilte am 16.09.2006 seine Einwilligung. Der Angeklagte ging davon aus, dass die Aufklärung ausreichend war. Die Operation wurde am 26.09.2006 lege artis (also kunstgerecht) ausgeführt. Der Zustand des Geschädigten verschlechterte sich und er verstarb am 25.11.2006.

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge und gefährliche Körperverletzung freigesprochen. Der Bundesgerichtshof hat diesen Freispruch bestätigt.

Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass keine wirksame Einwilligung vorliegt, da nicht hinreichend über die „Neulandmethode“ aufgeklärt wurde. Jedoch lagen die Voraussetzungen einer Rechtfertigung wegen einer hypothetischen (mutmaßlichen) Einwilligung in die Behandlung vor. Der Geschädigte hatte die unbedingte Bereitschaft, sich trotz der geringen Erfahrungswerte operieren zu lassen. Eine andere Bewertung würde sich nur ergeben, wenn der Angeklagte über die mangelnden gesicherten Erfolgsaussichten getäuscht hätte.