Abwesenheit des Pflichtverteidigers in der Hauptverhandlung

Urteil zur Abwesenheit des Pflichtverteidigers in der Hauptverhandlung

BGH 3 StR 24/10 (13.04.2010)

Das Landgericht Hildesheim hatte den Angeklagten wegen Betruges in 19 Fällen, versuchten Betruges, Beihilfe zum Betrug in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung, Urkundenfälschung in fünf Fällen und Beihilfe zur Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Landgericht Hildesheim.

In der Hauptverhandlung bestellte das Gericht zwei Anwälte zu Verteidigern des Angeklagten. An dem Hauptverhandlungstermin, in dem die Schlussvorträge (Plädoyers) gehalten werden sollten, waren beide Rechtsanwälte nicht anwesend. Dafür kam ein anderer Rechtsanwalt für den Angeklagten. Er gab aber an, nicht als Verteidiger für den Angeklagten auftreten zu können und mit dem Prozessstoff nicht vertraut zu sein. Er konnte nicht als Vertreter des Pflichtverteidigers auftreten, da eine Beiordnung zum Pflichtverteidiger immer auf den einzelnen Rechtsanwalt beschränkt ist. Der Angeklagte konnte ihn auch nicht stillschweigend zum Wahlverteidiger bestimmen.

Das Landgericht beschloss daraufhin die Trennung der Verfahren gegen den Angeklagten und gegen den Mitangeklagten. Für das Verfahren wurde ein Fortsetzungstermin für die Hauptverhandlung bestimmt und das Verfahren gegen die Mitangeklagten wurde fortgesetzt; dessen Verteidiger hielt den Schlussvortrag und das Urteil wurde verkündet.

Die Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, denn sein Verteidiger war bei der Entscheidung über die Trennung der Verfahren nicht anwesend, obwohl die Anwesenheit des Verteidigers zwingend erforderlich gewesen wäre.

Die Anwesenheit des Rechtsanwalts, der als Vertreter des beigeordneten Verteidigers auftrat, reicht nicht aus. Das Erfordernis der Anwesenheit des Verteidigers ergibt sich daraus, dass die Entscheidung über die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung war. Eine Abtrennung des Verfahrens gegen einen Angeklagten verändert beispielsweise auch die Möglichkeit eines Angeklagten, sich mit den Einlassungen und dem prozessualen Verhalten eines anderen Angeklagten auseinanderzusetzen. Wie auch die Verfahrenstrennung sind daher der Schlussvortrag des Verteidigers und das letzte Wort des Mitangeklagten wesentliche Teile der Hauptverhandlung. Ob dies auch ohne denkbaren Bezug der Taten der Mitangeklagten gilt, war hier ohne Belang, dem Mitangeklagten wurden Urkundenfälschungen vorgeworfen, zu denen dem Angeklagten Anstiftung vorgeworfen wurde.