Unterlassene Rettungsmaßnahmen nach Suizid

Unterlassene Rettungsmaßnahmen nach Suizid

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 1 Ws 13/16 (08.06.2016)

In diesem Fall hatte ein Arzt Sterbehilfe geleistet, indem er für zwei seiner Patienten ein tödlich wirkendes Medikament besorgt hatte. Die Patienten nahmen dieses Medikament unter seiner Aufsicht ein und starben dadurch, wie es geplant war. Der Arzt rief erst eine halbe Stunde, nachdem die Atmung ausgesetzt hatte und kein Puls mehr zu spüren war, Rettungskräfte zur Hilfe.

Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft. Das Landgericht sah jedoch keine Zuständigkeit des Schwurgerichts für gegeben. Es ging davon aus, dass das Verhalten keinen Totschlag in mittelbarer Täterschaft darstellt und auch kein weiteres Tötungsdelikt, das zur Zuständigkeit des Schwurgerichtes führen würde. Gegen die Entscheidung des Landgerichts legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg entschied, dass die Anklage vor der Großen Strafkammer am Landgericht zuzulassen ist.

Auch das Oberlandesgericht teilt die Auffassung des Landgerichtes, dass eine Tötung in mittelbarer Täterschaft nicht in Betracht kommt, weil eine freiverantwortliche Selbsttötung durch die Opfer vorliegt.  Es liegt kein Tatverdacht hinsichtlich einer Straftat vor, die die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründet. Allerdings sieht das Oberlandesgericht einen hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich einer Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB durch Unterlassen, weil der Arzt nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit nicht unverzüglich Rettungsmaßnahmen eingeleitet hat.

Der Arzt wusste auch, dass er die Medikamente beschafft hatte, die zur Selbsttötung benutzt wurden, daher kannte er die Umstände, aus denen sich eine Garantenstellung ergibt. Die Rettungspflicht des Arztes entstand durch den Eintritt der Bewusstlosigkeit der Opfer. Dies gilt auch dann, wenn das Opfer einen Sterbewunsch geäußert hat.

Sofern gegen das Urteil des Landgerichts Revision eingelegt werden sollte, hätte der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden. Sollte sich der Bundesgerichtshof mit dieser Sache zu befassen haben. Hier durch bestünde die Möglichkeit bisherige Tendenzen der Rechtsprechung zu bestätigen oder zu verändern. Zuletzt hatte der Bundesgerichtshof in einem Fall nicht abschließend entschieden, wie die Rettungspflicht eines Garanten, der bei einem Suizid anwesend ist, zu beurteilen ist. Gerade in Bezug auf die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Sterbehilfe könnte es wünschenswert sein, eine einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu bewirken.