Der Beitrag befasst sich mit Aspekten des Strafverfahrens nach einem Unfall, der dadurch entstanden ist, dass ein Autofahrer während der Fahrt einen Krampfanfall erlitten hat. Je nachdem, ob Personen verletzt oder sogar getötet werden, geht es um die Delikte Totschlag (§ 212 StGB), fahrlässige Tötung (§ 222 StGB), vorsätzliche Körperverletzung(§ 223 StGB), fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB), die sowohl vorsätzlich, fahrlässig oder in einer Kombination aus Vorsatz und Fahrlässigkeit begangen werden kann. Es kommt außer auf die eingetretenen Folgen auch darauf an, ob ein Beschuldigter von seinem Anfallsleiden weiß (Erstereignis oder bereits mehrere Anfälle) und darauf, ob eine medikamentöse Einstellung erfolgt ist und die Medikamente aktuell regelmäßig genommen werden.
Der Bundesgerichtshof bejaht in seiner Rechtsprechung bereits beim Vorliegen einer entsprechenden Grunderkrankung (Anfallsleiden) eine konkrete Gefahr im Sinne der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB. Es sei prägende Eigenart dieser Krankheit, dass das Risiko einer Wiederholung von Anfällen grundsätzlich nicht unerheblich ist und der Betroffene jederzeit keine Kontrolle mehr über die Situation haben könne.
Es kommt also entscheidend auf die Frage an, ob ein Anfallsleiden vorliegt und ob der Fahrer (also der spätere Beschuldigte) von diesem Anfallsleiden wusste und die verordneten Medikamente eingenommen hat. Der Beschuldigte kann von seinem Schweigerecht Gebrauch machen. Er muss auch seinen behandelnden Arzt nicht von der Schweigepflicht entbinden. Daher kann es schwierig sein, das Vorliegen eines bekannten Anfallsleidens sicher zu bejahen. Möglich kann ein Beweis durch Zeugen sein. Zeugen, die regelmäßig mit dem Beschuldigten zu tun haben, kennen dies möglicherweise oder wissen von der Einnahme von Medikamenten zur Behandlung des Anfallsleidens. Das Problem dabei ist nur, dass Verwandte des Beschuldigten, die über die Krankheit informiert sein könnten, häufig ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO haben. Ein Beweis durch Zeugen kann in der Praxis daher mit einem besonders großen Aufwand verbunden sein.
Daher kann bei ausreichenden Verdachtsmomenten eine Durchsuchung beim Beschuldigten angeordnet werden, um nach Medikamenten oder anderen Hinweisen auf eine bekannte Grunderkrankung zu suchen. Es können auch Arztbriefe beschlagnahmt werden. Diese unterliegen keinem Beschlagnahmeverbot. Diese Durchsuchungen müssen zeitlich sehr dicht nach dem Unfall durchgeführt werden, da ansonsten die Möglichkeit besteht, das Beweismittel von anderen Personen versteckt werden. Insofern stellt sich die Frage, wer die Durchsuchung anordnen muss.
Grundsätzlich ist für eine Durchsuchung ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich. Nur bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei erfolgen. Die Durchsuchung muss jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Der Eingriff gegenüber dem Beschuldigten darf daher nicht außer Verhältnis zum Interesse an der Strafverfolgung stehen. Namentlich kommt es dabei auf die Höhe der zu erwartenden Strafe an. Da aber vor Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses unklar ist, welche Delikte konkret vorliegen können, ist die Prognose sehr vage.
Daher ist es in einem folgenden Strafverfahren von großer Bedeutung, die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung zu prüfen. Lagen alle Voraussetzungen für die Durchsuchung vor? War ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich? Durfte die Polizei die Durchsuchung anordnen? Gab es formelle Fehler? Wurden Gegenstände mitgenommen, die einem Beschlagnahmeverbot unterliegen? Fand die Durchsuchung nur in den Räumlichkeiten statt, die vom Durchsuchungsbeschluss erfasst waren? Hier bieten sich mehrere Ansatzpunkte der Verteidigung durch einen Rechtsanwalt und Strafverteidiger.
Falls der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig ist, folgt dann hieraus ein Verwertungsverbot? Muss die Einführung der Ergebnisse der Durchsuchung in der Hauptverhandlung durch den Verteidiger des Beschuldigten (beziehungsweise des Angeklagten) gerügt werden? Ist eine Verwertung ohne Rüge zulässig?
Mit der Durchsuchung kann möglicherweise auf eine Grunderkrankung geschlossen werden. Zur Feststellung, ob die Medikamente genommen wurden, bedarf es einer Blutprobe. Diese kann auf Grundlage von § 81a StPO beim Beschuldigten entnommen werden. Auch hier bedarf es grundsätzlich einer richterlichen Anordnung. Hier ist es jedoch leichter zu rechtfertigen, wenn keine richterliche Anordnung vorliegt. Jedoch kann sich auch hier wieder ein Verwertungsverbot ergeben. Beispielsweise gibt es in einigen Gerichtsbezirken generellen Anweisungen an die Polizei, dass in diesen Situationen immer Gefahr im Verzug vorliege und deswegen eine Anordnung durch die Polizei stets möglich sein. In diesen Fällen gehen die Gerichte von einem Verwertungsverbot aus. Die Ergebnisse der Blutprobe können vor Gericht daher nicht gegen den Beschuldigten verwendet werden. Zu den Verwertungsverboten gibt es eine sehr differenzierte Rechtsprechung. Eine effektive Verteidigung ist in der Praxis in solchen Fällen nur durch einen Rechtsanwalt und Strafverteidiger möglich.