Pflichtverteidiger bei Freiheitsstrafe
OLG Naumburg 2 Ws (s) 2/16 (19.01.2016)
Das Amtsgericht hatte dem Angeklagten, der sich vor Beginn der Hauptverhandlung länger als drei Monate in Haft befand, einen Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten in der Hauptverhandlung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen von drei Euro. Nach dem Urteil wurde der Angeklagte aus der Haft entlassen. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Die Berufung zielte darauf ab, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird.
Soweit ein Angeklagter sich in Untersuchungshaft befindet, schreibt das Strafprozessrecht vor, dass er einen Rechtanwalt als Verteidiger hat. Wenn der Angeklagte selbst keinen Wahlanwalt beauftragt, wird ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet. Nach der Entlassung des Angeklagten aus der Haft war dieser Grund für die Beiordnung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger jedoch weggefallen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg lag hier dennoch ein Fall der sogenannten notwendigen Verteidigung vor, in denen das Gesetz vorschreibt, dass der Angeklagte einen Verteidiger braucht. Ein Pflichtverteidiger muss nämlich auch denn bestellt werden, wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig ist. Davon ging das Oberlandesgericht hier aus. In einem Fall dieser Art ist es nach Auffassung des Oberlandesgerichts schwierig, die Rechtsfrage zu entscheiden, welche Rechtsfolge, also welche Strafe, gegen eine Angeklagten zu verhängen ist. Hier lag die Verurteilung zu einer Geldstrafe vor, während die Staatsanwaltschaft das Ziel verfolgte, dass es zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe kommt. Die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Freiheitsstrafe gegeben sind, sei schwierig. Dies führe hier dazu, dass eine Verteidigung durch einen Anwalt notwendig sei.