Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der rechtlichen Zulässigkeit mit einer speziellen Form der Organspende. Das Transplantationsgesetz (TPG) unterscheidet bei der Zulässigkeit zwischen der Spende von Toten und der Spende unter Lebenden.
Umstritten ist die Zulässigkeit der sogenannten Überkreuz-Lebendspenden, die auch als Crossover-Transplantationen bezeichnet werden. Zulässig ist die Spende unter Lebenden bei den im Gesetz genannten nahen Angehörigen. Darüber hinaus ist die Weitergabe auch an Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen, zulässig.
Eine Spende unter Angehörigen scheitert bei den Crossover-Transplantationen daran, dass potentieller Spender und Empfänger aus biologischen Gründen nicht zusammenpassen. Daher stellt sich die Frage, ob beispielsweise bei zwei Ehepaaren der Spender des ersten Paares (Spender 1) dem Empfänger des zweiten Paares (Empfänger 2) eine Niere spendet, während im Gegenzug der Ehegatte des Spenders 1, der Empfänger 1, eine Niere des Gatten von Empfänger 2, also dem Spender 2, erhält. Statt zwei parallellaufender Spenden unter Ehegatten findet also eine Überkreuzspende statt.
Eine Spende unter Angehörigen liegt in dieser Konstellation offensichtlich nicht vor. Daher wurden in der juristischen Literatur viele Versuche unternommen, die Zulässigkeit über das Nahestehen in besonderer persönlicher Verbundenheit herzustellen.
Eine Auffassung stützt ihre Argumentationskette im Wesentlichen auf den Begriff „Sympathie”. Aufgrund des gleichen Leidens, das den Lebensrhythmus bestimmt, könne ein inniges Verhältnis entstehen, das mit dem Begriff „Sympathie” beschrieben werden kann. An dieser Auffassung ist zu kritisieren, dass ein gemeinsames Leiden nicht mit dem identischen Leiden verwechselt werden darf, welches die betroffenen Patienten ohne Zweifel verbinden mag. Zugleich wird ein Begriff, der sich nicht im Gesetz findet, zur Begründung herangezogen.
Die Gegenauffassungen bejahen die erforderliche Verbundenheit nicht per se, sie setzen aber unterschiedlich strenge Anforderungen voraus. Eine Auffassung verlangt für das Näheverhältnis eine biographisch gewachsene Verbundenheit. Nach einer anderen Auffassung reicht es aus, wenn sich die Paare erst zum Zweck des Organtauschs kennengelernt und eine persönliche Enge aufgebaut haben. Diese Enge soll nach einer Auffassung jedoch dann nicht bestehen, wenn die Beziehung rein zweckorientiert ist. Der Zeitraum, über den diese Bindung vor der Transplantation bestanden haben muss, wird unterschiedlich beurteilt. Das Bundessozialgericht verzichtet – zur Ermöglichung dieser Transplantation – sogar auf eine längere Bekanntschaft vor der Operation und ersetzt diese durch die Prognose, dass das Fortbestehen der Beziehung über die Operation hinaus zu erwarten ist . Die Formulierung von Schroth, wonach die Spender und Empfänger (und nicht die Schicksale) durch ein unsichtbares Band miteinander verknüpft sein müssen, dürfte der gesetzlichen Regelung am nächsten kommen.
Das Anknüpfen an eine Prognose scheint ein zu dehnbarer Ansatz für die Beurteilung Zulässigkeit, zumal eine Strafbarkeit gemäß § 19 TPG an diese Beurteilung gekoppelt ist. Das Abstellen auf eine gewisse Zeitspanne der Bekanntschaft erscheint einerseits willkürlich, hinsichtlich der Dauer, andererseits gibt die Dauer auch keine Auskunft über die Intensität, auf die es laut Gesetz aber wesentlich ankommt. Darüber hinaus löst dieser Ansatz nicht das Problem der Überkreuz-Lebendspenden, in denen keine Fortführung der Bekanntschaft im Zeitraum nach der Operation vorgesehen ist und auch vor der Transplantation keine Bekanntschaft über einen nennenswerten Zeitraum bestanden hat.
Der einfachere Weg führt über den Gesetzeswortlaut. Dieser lässt nicht den Schluss zu, dass § 8 TPG bei isolierter Betrachtung anders auszulegen als in Verbindung mit § 19 TPG. Bei der Auslegung von § 8 TPG ist also zu berücksichtigen, dass keine Analogie zu Lasten des Beschuldigten hineingelesen wird. Es kann also nur das bestraft werden, was vom Wortlaut erfasst ist. Nach dem Wortlaut ist die Entnahme „zum Zwecke der Übertragung” der Niere auf einen Ehegatten erlaubt. Das Gesetz stellt also nur das Erfordernis eines finalen Zusammenhangs auf. Das Erfordernis der Sachidentität gibt es im Gesetz dagegen nicht. Und die Zielsetzung des Spenders ist klar: Er spendet eine Niere, damit sein Partner eine Niere empfangen kann. Auch das Merkmal der Übertragung ist gegeben, weil das Bezugsobjekt der Niere jeweils ausgewechselt wird, ohne die Niere an sich dabei zu verändern. Damit steht der Wortlaut dieser Formulierung der zuvor genannten Auslegung nicht entgegen. Der Gesetzgeber hätte sich, wenn er die Spende in Konstellationen wieder dieser für strafwürdig gehalten hätte, präziser fassen müssen. Es hätte bei der Übertragung auf das jeweils entnommene Körperteil Bezug genommen werden müssen.
Auch unter Aspekten des Organhandels ergibt sich hier keine Strafbarkeit. Das Handeltreiben wird im TPG nicht definiert. Daher wird im Grundsatz auf die Definition des Betäubungsmittelstrafrechts zurückgegriffen und diese wegen der unterschiedlichen Schutzrichtungen modifiziert. Im Betäubungsmittelstrafrecht versteht man unter Handeltreiben jede eigennützige auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit.
Der Empfänger des Organs erstrebt aber keinen Umsatz. Er leistet auch keinerlei Zahlung an den Spender oder andere Personen. Es entspricht auch dem Gesetzeszweck, beim Empfänger des Organs den Handel zu verneinen. Er soll nur vor wucherischer Ausbeutung geschützt werden.
Schwieriger ist die Beurteilung beim Spender. Für ein Handeltreiben reicht ein Streben nach Vorteilen, die nicht finanzieller Natur sein müssen, aus. Dabei ist aber das Ziel des Gesetzes zu berücksichtigen, nämlich die Kommerzialisierung des Organtausches zu verhindern. Die geringe Anzahl der realen Möglichkeiten für diesen Tausch ist das erste Argument, mit dem ein Handeltreiben abgelehnt werden kann. Gewichtiger dürfte die Gleichstellung mit der Situation der Spende unter Ehegatten sein. Diese fällt nach allgenmeiner Auffassung nicht unter das Verbot des Organhandels. Die Auslegung der Norm ergibt, dass die Überkreuzspende im Ergebnis aber nicht anders zu behandeln ist als zwei parallel laufende Spenden unter Ehegatten.
Im Ergebnis sind daher Überkreuz-Lebendspenden zulässig, ohne dass eine nähere Bindung zwischen den beiden Spenderpaaren besteht. Die Durchführung ist auch straffrei, weil kein Organhandel vorliegt und auch die gemäß § 8 TPG erforderlichen Kriterien hinsichtlich der Relation von Spender und Empfänger gegeben sind.