Wissenschaft

Doktorarbeit über Kindesmisshandlung

Meine Doktorarbeit hat den Titel „Kindesmisshandlung in Hamburg unter Einbeziehung rechtsmedizinischer Aspekte – Das Verhältnis von registrierter und tatsächlicher Kriminalität”

Die Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit der körperlichen und psychischen Misshandlung, nicht mit der sexuellen Misshandlung. Im Rahmen dieser Arbeit wurde untersucht, wie viele wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB) eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren mit einer Verurteilung abgeschlossen und wie viele Verfahren eingestellt werden. Ein Gesichtspunkt dabei waren Feststellungen darüber, ob der ursprüngliche Tatvorwurf in seiner rechtlichen Bewertung beibehalten oder ob dem Beschuldigten statt der Misshandlung von Schutzbefohlenen im Ergebnis ein anderer Tatbestand (einfache Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, versuchter Totschlag) zur Last gelegt wurde.

Eine Verurteilung wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen gab es nur in den seltensten Fällen. Überhaupt gab es Verurteilungen (auch wegen einfacher Körperverletzung oder gefährlicher Körperverletzung) nur in wenigen Fällen (weniger als 10 % der Ermittlungsverfahren). In der Mehrzahl der Fälle wurden die Verfahren mit oder ohne Auflagen (§§ 153, 153 a StPO) oder wegen des fehlenden hinreichenden Tatverdachts (§ 170 II StPO) eingestellt. Der hinreichende Tatverdacht fehlt dann, wenn der Nachweis einer Tatbegehung nicht erbracht werden kann oder die Tat aus rechtlichen Gründen als nicht strafbar zu bewerten ist.

Die wichtigste Erkenntnis ist, dass es notwendig ist, in der Kriminologie einen neuen Begriff zu verwenden. Bisher wurden die Begriffe „Hellfeld” und „Dunkelfeld” verwendet, um die Bereiche der registrierten und der nicht registrierten Kriminalität zu beschreiben. Dies reicht nach meinen Ergebnissen nicht aus. Das Hellfeld umfasst nach der üblichen Definition die polizeilich registrierte Kriminalität. Das Dunkelfeld dagegen erfasst die Gesamtheit der polizeilich nicht registrierten Straftaten. Die Summe aus Hellfeld und Dunkelfeld soll demnach die Gesamtheit der Verbrechenswirklichkeit abbilden. Das Dunkelfeld kann nicht exakt ermittelt werden. Es kann aber mit verschiedenen Methoden versucht werden, die Größe mehr oder weniger präzise zu schätzen. Häufig wird zur Größe des Dunkelfelds auch angegeben, dass diese in einer bestimmten Relation zum Hellfeld stehen dürfte.

Das Hellfeld bildet nach der üblichen Definition aber gerade nicht nur die polizeilich registrierte Kriminalität ab. Und darin liegt der entscheidende Fehler. Die Statistik weist nämlich die Anzahl der Fälle aus, in denen es Ermittlungen wegen des Verdachts einer Straftat gab. Wenn sich im Laufe der Ermittlungen zeigt, dass gar kein strafbares Verhalten vorliegt, bleibt dieser Sachverhalt dennoch als Kriminalität in der Statistik. Eine wichtige Fallgruppe dieses Auseinanderfallens sind die Registrierungen, wenn sich ein Sachverhalt später anders darstellt als am Anfang der Ermittlungen. Dieses tritt bei vermeintlichen Kindesmisshandlungen recht häufig auf, weil es nachvollziehbare Gründe gibt. Einerseits kommt es vor, dass Kinder ihre Eltern zu Unrecht einer Misshandlung beschuldigen. Vielfach bezwecken die Kinder, damit von anderen Problemen (beispielsweise schlechten schulischen Leistungen) abzulenken. Auch Elternteile beschuldigen sich – teilweise auch bewusst zu Unrecht – gegenseitig, insbesondere in Trennungssituationen. Dahinter steht oftmals die Motivation, im Streit um das Sorgerecht eine bessere Position zu erreichen. Der Anteil der Fälle, in denen eine Kindesmisshandlung zunächst angezeigt wurde, später aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden konnte, lag bei über 20 %. Da es sich also nicht nur um eine geringfügige Abweichung handelt, ist es erforderlich, zwischen den registrierten Taten (also dem Hellfeld) und der Gesamtheit der registrieren Sachverhalte (dem Registerfeld) zu trennen. Nur auf diese Weise lässt sich die Kriminalitätswirklichkeit erfassen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass eine Beschuldigung wegen Kindesmisshandlung nicht selten völlig haltlos ist. Der Beschuldigte muss hier (vertreten durch einen Rechtsanwalt und Strafverteidiger) aktiv auf das Verfahren einwirken, um den Tatvorwurf zu entkräften. Sofern die Einstellung des Ermittlungsverfahrens noch vor der Erhebung einer Anklage erreicht werden kann, muss sich der Beschuldigte nicht einer Hauptverhandlung stellen. Das öffentliche Bekanntwerden des Verfahrens bleibt ihm auf diese Weise erspart.

Folgende Beiträge habe ich in Fachzeitschriften veröffentlicht:

Bachmann, Dirk; Püschel, Klaus; Sonnen, Bernd-Rüdeger
„Zwei Jahre Brechmitteleinsätze in Hamburg”
in Kriminalistik 2004, 678 ff (Heft November 2004)

Bachmann, Dirk; Bachmann, Kai
Aspekte zu Crossover-Transplantationen
in Medizinrecht 2007, 94 ff

Püschel, Klaus; Bachmann, Dirk
„Proving possession of drugs in so-called body stuffers”
in Journal of Forensic and Legal Medicine 2007, 96 ff

Frey, Jessica; Bachmann, Dirk; Wetzels, Peter; Heinemann, Axel; Püschel, Klaus
„Infektionsausbreitung (HIV, Hepatitis) und Spritzenaustausch im Strafvollzug”
in Kriminalistik 2008, 294 ff (Heft Mai 2008)

Bachmann, Dirk; Püschel, Klaus
„Vereinbarkeit von Brechmitteleinsätzen mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)”
in Rechtsmedizin 2009, 53 ff

Bachmann, Dirk; Püschel, Klaus; Sonnen, Bernd-Rüdeger
„Bildet die Polizeiliche Kriminalstatistik das Hellfeld ab?”
in Kriminalistik 2011, 698 ff (Heft November 2011)

Bachmann, Dirk; Schröder, Christina; Focken, Maria; Püschel, Klaus
„Beweissicherung bei anfallsbedingten Unfällen im Straßenverkehr“
in Blutalkohol 2013, 267 ff

Zwei Jahre Brechmitteleinsätze in Hamburg

In den neunziger Jahren wurde in einigen deutschen Großstädten ein neues Verfahren zum Nachweis des Besitzes von Betäubungsmitteln eingesetzt. Drogendealer bewahrten in Folie verpackte Konsumeinheiten in der Mundhöhle auf. So konnten sie diese schnell verschlucken, wenn sie von der Polizei aufgegriffen wurden. Ein Nachweis der Tat war somit nicht möglich. Daher wurden die Brechmitteleinsätze eingeführt. Den Beschuldigten wurde ein Brechmittel verabreicht und das Erbrochene untersucht. Auf diese Weise sollte der Nachweis des Drogenbesitzes erfolgen können.

Der Beitrag „Zwei Jahre Brechmitteleinsätze in Hamburg“ beschäftigt sich einerseits mit den rechtlichen Voraussetzungen der Brechmitteleinsätze. Andererseits wird auch dargestellt, welche Ergebnisse bei den Einsätzen der ersten zwei Jahre in Hamburg erlangt wurden.

Umstritten war bereits, welche strafprozessuale Norm zur Durchführung dieser Einsätze ermächtigen kann. Diskutiert wurden § 102 StPO (Durchsuchung) und § 81a StPO (körperliche Untersuchung). Die Durchsuchung erfasst jedoch nur eine Inspektion der Körperöffnungen, nicht aber weitergehende Untersuchungen, so dass allein § 81a StPO als Grundlage in Betracht zu ziehen war. Da die Brechmittelensätze von der Intention der Strafverfolgung geleitet waren, kam auch eine Norm aus dem Gefahrenabwehrrecht als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit bezogen sich darauf, ob die Maßnahme ohne gesundheitliche Gefahren für den Beschuldigten ist, ob der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit verletzt ist und zuletzt, ob das Vorgehen insgesamt verhältnismäßig ist.

Vor Durchführung der Einsätze wurden einige Voraussetzungen festgelegt. Bei medizinischen Kontraindikationen (schwere Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Erkrankungen von Magen, Darm oder Leber, Schleimhauterkrankungen und Tumoren im Bereich der Speiseröhre oder des oberen Magen-Darm-Trakts, Atemalkoholkonzentration von über 0,5 Promille, Bewusstseinsstörungen, neurologische Ausfälle) wurde auf den Einsatz des Brechmittels verzichtet. Weiterhin wurde der Einsatz abgebrochen, wenn 75 % der zugeführten Wassermenge erbrochen wurden, ohne dass Drogen gefunden werden konnten.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit liegt nicht vor. Der Beschuldigte wird zu keiner aktiven Mitwirkung gezwungen. Es wird ihm angeboten, dass er das Brechmittel freiwillig selbst trinken kann. Falls er diese Mitwirkungen verweigert (was er tun darf), wird das Brechmittel über eine Magensonde verabreicht. Das künstlich ausgelöste Erbrechen stellt keine erzwungene aktive Mitwirkung dar. Der Wille des Beschuldigten wird nicht gebrochen, sondern er wird umgangen. Ein Erbrechen, das einst als Musterbeispiel einer Körperreaktion galt, die keine Handlung darstellt, ist unabhängig von Willen und damit keine Handlung. Es kommt für die Abgrenzung nicht auf das äußere Erscheinungsbild an.

Weiterhin wird auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Ziel der Maßnahme ist der Nachweis von Straftaten und damit die Gewährleistung einer effektiven Strafverfolgung. Dieses Ziel ist legitim. Das Mittel ist auch geeignet, weil der angestrebte Erfolg gefördert wird. Die konkreten Erfolge werden bei den Ergebnissen benannt. Teilweise wurde die Erforderlichkeit angezweifelt, weil die Ausscheidungskontrolle als mildere Maßnahme zur Verfügung stehe. Dabei wird der Beschuldigte über einen längeren Zeitraum (maximal sogar mehrere Tage) in eine Zelle eingesperrt und die Ausscheidungen werden kontrolliert. Während dieser Zeit findet eine optische Überwachung statt. Während die Verabreichung des Brechmittels lediglich einen Zeitraum weniger Stunden in Anspruch nimmt und ohne Gesundheitsgefahren abläuft, ist bei der Ausscheidungskontrolle eine Freiheitsentziehung für mehrere Tage erforderlich. Dass die permanente optische Überwachung nicht in die Menschenwürde eingreift, ist kaum vorzustellen. Auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne wurde von den deutschen Gerichten bejaht. Einem Eingriff von geringer Intensität steht demnach ein gewichtiges Schutzgut gegenüber. Eine funktionierende Strafrechtspflege im Bereich der Drogenkriminalität (wobei in Fällen der Brechmitteleinsätze regelmäßig nahelag, dass gewerbsmäßiges Handeltreiben vorliegt) ist demgegenüber höherwertiger.

In Hamburg wurden zwischen August 2001 und Juli 2003 insgesamt 272 Brechmitteleinsätze beantragt und in 244 Fällen auch tatsächlich durchgeführt. In 28 Fällen wurde die Anordnung zurückgenommen oder der Einsatz aus medizinischen Gründen abgelehnt. Nur drei der Beschuldigten waren weiblich. Dies mag allerdings auch eine Folge der Selektion kontrollierten Personen sein. Etwa ein Drittel der Beschuldigten waren Heranwachsende, ein Viertel waren Jungerwachsene, etwa ein Fünftel waren Jugendliche. Über 80 % der Beschuldigten waren Afrikaner.

In 156 der 244 Fälle (63,9 %), in denen ein Brechmitteleinsatz durchgeführt wurde, wurden Drogen erbrochen. In weiteren zwei Fällen konnten Drogen, die sich noch in der Mundhöhle des Beschuldigten befanden, erst durch die Durchführung des Brechmitteleinsatzes sichergestellt werden. Es gab unterschiedliche Gründe dafür, dass bei 86 Fällen keine Drogen sichergestellt werden konnten. Einerseits ist es möglich, dass keine Drogen verschluckt wurden. In anderen Fällen war die Menge des Erbrochenen deutlich geringer als die Menge des einführten Wassers. In diesen Fällen ist es möglich, dass der Beschuldigte vorsorglich ein Antiemetikum genommen hatte. In einigen Fällen war die Zeitspanne zwischen der Beobachtung des Schluckaktes durch die Polizei und der Durchführung des Brechmitteleinsatzes so groß, dass sich die Drogen möglicherweise bereits nicht mehr im Magen befanden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sah in dieser Maßnahme ein Verstoß gegen Menschenrechte. Dabei bedient er sich teilweise einer etwas fragwürdigen Argumentation. So sieht er einen Verstoß gegen die Menschenwürde im Gegensatz zur Ausscheidungskontrolle gerade darin, dass das Erbrechen ein unnatürlicher Vorgang sei, während die Ausscheidung auf natürlichem Wege einen normalen Vorgang darstellt. Mit dieser Abgrenzung trifft er eine Differenzierung, die der Medizin fremd ist. Ferner überzeugt es nicht ansatzweise, dass ein natürlicher Körpervorgang die Menschwürde weniger betrifft als ein unnatürlicher. Auch sieht er eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens. Nach dieser Entscheidung haben die Brechmitteleinsätze keine praktische Bedeutung mehr. Als Sicht der Strafverfolgung war es eine erfolgreiche Maßnahme. Über die kriminalpolitische Vernunft ließ sich von Anfang an streiten.

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Aspekte zu Crossover-Transplantationen

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der rechtlichen Zulässigkeit mit einer speziellen Form der Organspende. Das Transplantationsgesetz (TPG) unterscheidet bei der Zulässigkeit zwischen der Spende von Toten und der Spende unter Lebenden.

Umstritten ist die Zulässigkeit der sogenannten Überkreuz-Lebendspenden, die auch als Crossover-Transplantationen bezeichnet werden. Zulässig ist die Spende unter Lebenden bei den im Gesetz genannten nahen Angehörigen. Darüber hinaus ist die Weitergabe auch an Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen, zulässig.

Eine Spende unter Angehörigen scheitert bei den Crossover-Transplantationen daran, dass potentieller Spender und Empfänger aus biologischen Gründen nicht zusammenpassen. Daher stellt sich die Frage, ob beispielsweise bei zwei Ehepaaren der Spender des ersten Paares (Spender 1) dem Empfänger des zweiten Paares (Empfänger 2) eine Niere spendet, während im Gegenzug der Ehegatte des Spenders 1, der Empfänger 1, eine Niere des Gatten von Empfänger 2, also dem Spender 2, erhält. Statt zwei parallellaufender Spenden unter Ehegatten findet also eine Überkreuzspende statt.

Eine Spende unter Angehörigen liegt in dieser Konstellation offensichtlich nicht vor. Daher wurden in der juristischen Literatur viele Versuche unternommen, die Zulässigkeit über das Nahestehen in besonderer persönlicher Verbundenheit herzustellen.

Eine Auffassung stützt ihre Argumentationskette im Wesentlichen auf den Begriff „Sympathie”. Aufgrund des gleichen Leidens, das den Lebensrhythmus bestimmt, könne ein inniges Verhältnis entstehen, das mit dem Begriff „Sympathie” beschrieben werden kann. An dieser Auffassung ist zu kritisieren, dass ein gemeinsames Leiden nicht mit dem identischen Leiden verwechselt werden darf, welches die betroffenen Patienten ohne Zweifel verbinden mag. Zugleich wird ein Begriff, der sich nicht im Gesetz findet, zur Begründung herangezogen.

Die Gegenauffassungen bejahen die erforderliche Verbundenheit nicht per se, sie setzen aber unterschiedlich strenge Anforderungen voraus. Eine Auffassung verlangt für das Näheverhältnis eine biographisch gewachsene Verbundenheit. Nach einer anderen Auffassung reicht es aus, wenn sich die Paare erst zum Zweck des Organtauschs kennengelernt und eine persönliche Enge aufgebaut haben. Diese Enge soll nach einer Auffassung jedoch dann nicht bestehen, wenn die Beziehung rein zweckorientiert ist. Der Zeitraum, über den diese Bindung vor der Transplantation bestanden haben muss, wird unterschiedlich beurteilt. Das Bundessozialgericht verzichtet – zur Ermöglichung dieser Transplantation – sogar auf eine längere Bekanntschaft vor der Operation und ersetzt diese durch die Prognose, dass das Fortbestehen der Beziehung über die Operation hinaus zu erwarten ist . Die Formulierung von Schroth, wonach die Spender und Empfänger (und nicht die Schicksale) durch ein unsichtbares Band miteinander verknüpft sein müssen, dürfte der gesetzlichen Regelung am nächsten kommen.

Das Anknüpfen an eine Prognose scheint ein zu dehnbarer Ansatz für die Beurteilung Zulässigkeit, zumal eine Strafbarkeit gemäß § 19 TPG an diese Beurteilung gekoppelt ist. Das Abstellen auf eine gewisse Zeitspanne der Bekanntschaft erscheint einerseits willkürlich, hinsichtlich der Dauer, andererseits gibt die Dauer auch keine Auskunft über die Intensität, auf die es laut Gesetz aber wesentlich ankommt. Darüber hinaus löst dieser Ansatz nicht das Problem der Überkreuz-Lebendspenden, in denen keine Fortführung der Bekanntschaft im Zeitraum nach der Operation vorgesehen ist und auch vor der Transplantation keine Bekanntschaft über einen nennenswerten Zeitraum bestanden hat.

Der einfachere Weg führt über den Gesetzeswortlaut. Dieser lässt nicht den Schluss zu, dass § 8 TPG bei isolierter Betrachtung anders auszulegen als in Verbindung mit § 19 TPG. Bei der Auslegung von § 8 TPG ist also zu berücksichtigen, dass keine Analogie zu Lasten des Beschuldigten hineingelesen wird. Es kann also nur das bestraft werden, was vom Wortlaut erfasst ist. Nach dem Wortlaut ist die Entnahme „zum Zwecke der Übertragung” der Niere auf einen Ehegatten erlaubt. Das Gesetz stellt also nur das Erfordernis eines finalen Zusammenhangs auf. Das Erfordernis der Sachidentität gibt es im Gesetz dagegen nicht. Und die Zielsetzung des Spenders ist klar: Er spendet eine Niere, damit sein Partner eine Niere empfangen kann. Auch das Merkmal der Übertragung ist gegeben, weil das Bezugsobjekt der Niere jeweils ausgewechselt wird, ohne die Niere an sich dabei zu verändern. Damit steht der Wortlaut dieser Formulierung der zuvor genannten Auslegung nicht entgegen. Der Gesetzgeber hätte sich, wenn er die Spende in Konstellationen wieder dieser für strafwürdig gehalten hätte, präziser fassen müssen. Es hätte bei der Übertragung auf das jeweils entnommene Körperteil Bezug genommen werden müssen.

Auch unter Aspekten des Organhandels ergibt sich hier keine Strafbarkeit. Das Handeltreiben wird im TPG nicht definiert. Daher wird im Grundsatz auf die Definition des Betäubungsmittelstrafrechts zurückgegriffen und diese wegen der unterschiedlichen Schutzrichtungen modifiziert. Im Betäubungsmittelstrafrecht versteht man unter Handeltreiben jede eigennützige auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit.

Der Empfänger des Organs erstrebt aber keinen Umsatz. Er leistet auch keinerlei Zahlung an den Spender oder andere Personen. Es entspricht auch dem Gesetzeszweck, beim Empfänger des Organs den Handel zu verneinen. Er soll nur vor wucherischer Ausbeutung geschützt werden.

Schwieriger ist die Beurteilung beim Spender. Für ein Handeltreiben reicht ein Streben nach Vorteilen, die nicht finanzieller Natur sein müssen, aus. Dabei ist aber das Ziel des Gesetzes zu berücksichtigen, nämlich die Kommerzialisierung des Organtausches zu verhindern. Die geringe Anzahl der realen Möglichkeiten für diesen Tausch ist das erste Argument, mit dem ein Handeltreiben abgelehnt werden kann. Gewichtiger dürfte die Gleichstellung mit der Situation der Spende unter Ehegatten sein. Diese fällt nach allgenmeiner Auffassung nicht unter das Verbot des Organhandels. Die Auslegung der Norm ergibt, dass die Überkreuzspende im Ergebnis aber nicht anders zu behandeln ist als zwei parallel laufende Spenden unter Ehegatten.

Im Ergebnis sind daher Überkreuz-Lebendspenden zulässig, ohne dass eine nähere Bindung zwischen den beiden Spenderpaaren besteht. Die Durchführung ist auch straffrei, weil kein Organhandel vorliegt und auch die gemäß § 8 TPG erforderlichen Kriterien hinsichtlich der Relation von Spender und Empfänger gegeben sind.

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Proving possession of drugs in so-called body stuffers

Dieser Artikel ist in einer britischen Zeitschrift für Rechtsmedizin erschienen. Er stellt vor, wann in Deutschland Brechmitteleinsätze durchgeführt werden und wie das gesamte Verfahren abläuft. Ferner werden die einschlägigen rechtlichen Probleme kurz angesprochen.

Brechmitteleinsätze werden dann durchgeführt, wenn eine Person dabei beobachtet wurde, wie sie Drogen verkauft hat. Straßendealer bewahren die verpackten Konsumeinheiten häufig in der Mundhöhle auf. So können sie diese verschlucken (und später wieder ausscheiden), wenn sie von der Polizei aufgegriffen werden. In Hamburg werden die Beschuldigten für den Brechmitteleinsatz in das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf gebracht. Dann haben sie die Möglichkeit, ein Brechmittel freiwillig zu trinken oder das Brechmittel wird über eine Magensonde verabreicht. Es wird untersucht, ob sich im Erbrochenen Drogen befinden.

Die Maßnahme erfolgt zum Zwecke der Strafverfolgung, weil Beweise für ein Strafverfahren (Besitz von Betäubungsmitteln, gewerbsmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln) gesichert werden sollen. Präventive Aspekte sind nicht führend, auch wenn die Gesundheit des Beschuldigten gefährdet sein kann. Es ist möglich, dass sich die Verpackung der Drogen öffnet und daher Betäubungsmittel über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden können. Die Drogen können über diesen Weg sehr schnell aufgenommen werden. Hierdurch ist es schon zu Todesfällen gekommen.

Die Ermächtigungsgrundlage ist § 81a StPO. Beim Brechmitteleinsatz liegt eine körperliche Untersuchung und keine Durchsuchung vor. Eine Durchsuchung erfasst nur das Inspizieren der Körperöffnungen. Die Anordnung einer körperlichen Untersuchung darf bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Ein richterlicher Beschluss ist nicht zwingend erforderlich.

Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist nicht verletzt. Niemand muss sich aktiv an der eigenen Überführung beteiligen. Es besteht nur eine Pflicht, die Ermittlungsmaßnahmen zu dulden. Beim Brechmitteleinsatz findet aber keine willentliche Mitwirkung des Beschuldigten statt, weil der Wille nicht gebeugt oder gebrochen, sondern umgangen wird. Das Erbrechen ist eine Körperreaktion, die nicht willensabhängig erfolgt und daher den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit nicht verletzt.

Aus Sicht der Strafverfolgung waren die Brechmitteleinsätze häufig erfolgreich. In etwa zwei Drittel aller Fälle konnten durch den Einsatz Drogen sichergestellt und somit der Tatnachweis erbracht werden. Es wurden unterschiedliche Betäubungsmittel gefunden. Von größter Bedeutung sind Crack, Kokain und Heroin. Da die Beschuldigten jeweils beim Verkauf beobachtet wurden, liegt immer der Verdacht des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor. Einige Beschuldigte waren auch einschlägig bekannt, andere waren zweimal beim Brechmitteleinsatz. Das Merkmal des gewerbsmäßigen Handeltreibens lag in diesen Fällen nahe.

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu den Brechmitteleinsätzen hat dieses Verfahren jedoch keine Bedeutung mehr.

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Infektionsausbreitung (HIV, Hepatitis) und Spritzenaustausch im Strafvollzug

Der Anteil der Gefangenen, die an HIV oder Hepatitis C erkrankt sind, ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung relativ hoch. Auch wenn eine Ansteckung nur durch Blutkontakt möglich ist, führt dies in den Justizvollzugsanstalten (JVA) zu Problemen. Denn anders als es teilweise von der Politik behauptet wird, sind die JVAs nicht drogenfrei. Stattdessen werden auch Betäubungsmittel aller Art (beispielsweise Heroin, Kokain, Crack, Amphetamine, Haschisch) in den Gefängnissen konsumiert. Der Anteil der Drogenabhängigen unter der Gefangenen liegt bei 30 bis 50 %. Besondere Probleme bereiten dabei die Drogen, die gespritzt werden, also vor allem Heroin. Spritzen sind in einer JVA schwer verfügbar und daher eine Handelsware unter den Inhaftierten. Da sterile Spritzen nur selten zur Verfügung stehen, wird eine Spritze einschließlich der Kanüle häufig von mehreren Gefangenen benutzt. Aufgrund der hohen Verbreitung von HIV und Hepatitis C kommt es damit zwangsläufig zu einer weiteren Verbreitung.

In unterschiedlichen Projekten wurde den Inhaftieren angeboten, gebrauchte Spritzen gegen sterile einzutauschen. Unter den Bediensteten im Strafvollzug gab es anfangs große Vorbehalte gegen diese Projekte, weil beispielsweise Angriffe mit den Kanülen befürchtet wurden. Diese Befürchtungen erwiesen sich objektiv als unbegründet. Der einzige dokumentierte Fall eines Übergriffs mit einer Spritze fand in Australien statt. Dort gab es keinen Spritzenaustausch.

Der Spritzenaustausch wirkte sich nicht negativ auf drogentherapeutische Maßnahmen aus. Das Strafvollzugsgesetz (zur Zeit der Veröffentlichung gab es noch das bundeseinheitliche Strafvollzugsgesetz) enthielt kein Verbot, ein solches Programm zu betreiben, stellte aber andererseits auch keine Pflicht in dieser Hinsicht auf. Aus dem Angleichungsgrundsatz könnte sich jedoch ein solches Gebot ergeben. Demnach soll der Unterschied zwischen dem Leben außerhalb und innerhalb der JVA nicht stärker als nötig voneinander abweichen. Das Austauschprogramm steht jedoch im Spannungsfeld von Behandlungsauftrag und Gegensteuerungsgrundsatz.

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Vereinbarkeit von Brechmitteleinsätzen mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)

Dieser Beitrag kommentiert das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zur Vereinbarkeit von Brechmitteleinsätzen mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Der Kläger (Beschwerdeführer) in diesem Verfahren wurde vom Amtsgericht Wuppertal wegen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Er war dabei beobachtet worden, wie er einer anderen Person einen Plastikbeutel, den er zuvor im Mund aufbewahrt hatte, gegen Geld übergeben hatte. Daraufhin wurde ihm, nachdem er von der Polizei hierzu in ein Krankenhaus gebracht wurde, ein Brechmittel verabreicht. Er erbrach eine Kugel mit etwa 0,2 Gramm Kokain. Das Landgericht bestätigte als Berufungsinstanz das Urteil, verringerte aber das Strafmaß. Die Revision des Beschuldigten vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wurde verworfen. Das Bundesverfassungsgericht nahm die eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Im Verfahren vor dem EGMR stellte das Gericht eine Verletzung der Rechte aus den Artikeln 3 und 6 der EMRK fest.

Artikel 3 besagt, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafen oder Behandlung unterworfen werden darf. Nach Auffassung des Gerichts muss der Eingriff ein gewisses Mindestmaß an Schwere aufweisen, welches hier jedoch erreicht ist. Sodann muss der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zur Straftat stehen. Handel mit Betäubungsmitteln sei eine schwere Straftat. Es handele es sich hier jedoch nur um einen Straßendealer. Ferner stehe die Ausscheidungskontrolle als mildere Maßnahme zur Verfügung. Das Verabreichen der Medikamente über die Sonde stelle eine Gesundheitsgefahr dar.

Einige Richter haben Sondervoten zu den Entscheidungsgründen verfasst.

Zwei der Richter verneinen eine Verletzung von Artikel 3 EMRK, weil die erforderliche Schwere nicht vorgelegen habe. Ferner ist es für sie nicht von Bedeutung, dass es sich um einen Straßendealer, also um einen Kleindealer, gehandelt habe.

Nach Auffassung von vier anderen Richtern ist es für die Beurteilung der Schwere der Straftat auch entscheidend, dass der Dealer vor der Festnahme bereits weitere Drogen verkauft hat.

Aus Sicht der Verfasser überzeugt die Argumentation des EGMR nicht vollständig. Insbesondere die geringe Schwere der Tat bei einem Straßendealer ist nicht schlüssig, da auch die Straßendealer durchaus größerer Mengen an Drogen/Betäubungsmitteln (Heroin, Crack, Kokain) zum Verkauf (Handeltreiben) bei sich führen. In Hamburg wurden bei einem Brechmitteleinsatz bei einem Straßendealer insgesamt 55 Kugeln (Durchmesser zwischen 3 und 20 Millimeter) gefunden. Bei der Schwere der Straftat ist auch zu berücksichtigen, um welche Art von Betäubungsmitteln es sich handelt. Am häufigsten werden Crack und Kokain gefunden, Heroin nur selten. Haschisch und Marihuana spielen in diesen Fällen keine Rolle. Auch ist zu berücksichtigen, dass in den meisten Fällen ein gewerbsmäßiges Handeln vorliegt. Die Gewerbsmäßigkeit stellt gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) einen besonders schweren Fall dar.

Komplett abzulehnen ist die Argumentation des Gerichts, mit der begründet wird, warum die Ausscheidungskontrolle gegenüber den Brechmitteleinsätzen bei Drogendealern eine mildere Maßnahme sein soll. Die Ausscheidung soll nach der Argumentation des Gerichts weniger intim sein als das Erbrechen, weil es sich beim Erbrechen nicht um eine natürliche Körperreaktion handele.

Das Gericht sieht auch das Recht auf ein faires Verfahren aus Artikel 6 EMRK verletzt. Das Gericht argumentiert wieder mit dem geringen Interesse an einer Strafverfolgung, da keine besonders schwere Straftat vorgelegen habe. Es habe sich nur um einen Dealer gehandelt, der verhältnismäßig geringe Mengen an Drogen verkauft habe. Da aber die Rechte des Beschuldigten massiv verletzt worden seien, liege ein Beweisverwertungsverbot vor.

Das Recht der Selbstbelastungsfreiheit sei für ein faires Verfahren von grundlegender Bedeutung. Auch dieses Recht sei hier verletzt, da sich der Beweis direkt aus dem künstlich ausgelösten Erbrechen ergebe und nicht erst aus einer weiteren Untersuchung. Ferner sei erheblicher Zwang ausgeübt worden. Die Verletzung der Rechte aus Artikel 3 der EMRK und der geringen Schwere der Tat (Straßendealer, der nur geringe Mengen verkauft) führt dazu, dass im Ergebnis auch die Selbstbelastungsfreiheit betroffen ist.

Die Ausführungen des Gerichts überzeugen auch hier nicht. Die Schwere der Tat, also das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Kokain oder Crack), steht nicht wie vom Gericht postuliert in einem unangemessenen Verhältnis zu den Interessen des Beschuldigten. Die Einbußen, die der Beschuldigte hinzunehmen hat, sind auch nicht schwerwiegender als bei anderen Untersuchungsmaßnahmen.

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Bildet die Polizeiliche Kriminalstatistik das Hellfeld ab?

Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse meiner Doktorarbeit. Die ausführliche Beschreibung der Ergebnisse finden Sie hier. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 StGB. Dieses Delikt weicht in drei Kriterien wesentlich von der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 StGB ab. Erstens muss das Opfer besonders schutzbedürftig sein. Diese Schutzbedürftigkeit ergibt sich bei Kindern nach der gesetzlichen Regelung bereits aus dem Alter. Zweitens muss ein besonderes Näheverhältnis zwischen Täter und Opfer bestehen. Drittens sind sehr hohe Anforderungen an die Tathandlung zu stellen.

Untersucht wurden alle Fälle aus drei Jahrgängen polizeilicher Akten, in denen wegen des Verdachts der Kindesmisshandlung ermittelt wurde. Eine Verurteilung wegen Kindesmisshandlung gemäß § 225 StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen) war dabei die absolute Ausnahme. Verurteilungen erfolgten dagegen in einigen (aber dennoch wenigen) Fällen wegen einfacher vorsätzlicher Körperverletzung oder gefährlicher Körperverletzung.

In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle wurde das Verfahren eingestellt. Mehrfach stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 153 StPO oder § 153a StPO ein. Eine Einstellung nach diesen Vorschriften erfolgte insbesondere dann, wenn die Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür gaben, dass der Tatbestand der Kindesmisshandlung (Misshandlung von Schutzbefohlenen) erfüllt war. Stattdessen lagen allenfalls vorsätzliche Körperverletzungen gemäß § 223 StGB oder fahrlässige Körperverletzungen gemäß § 229 StGB vor.

Die meisten Verfahren wurden abgeschlossen, indem sie gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden. Eine solche Einstellung des Verfahrens erfolgt, wenn keine Anklage erhoben wird, weil die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung gering ist. Wenn zwar aller Wahrscheinlichkeit nach eine Körperverletzung vorlag, aber das Opfer nicht aussagen wird, kann keine Verurteilung erfolgten. Diese Konstellation findet sich sehr häufig, weil Personen aus dem Täterkreis der Misshandlung von Schutzbefohlenen häufig ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO haben.

In einigen Fällen (mehr als 25 % aller Verfahren) stellte es sich jedoch aufgrund der Ermittlungsergebnisse als sicher heraus, dass gar keine Tat, auch keine Körperverletzung, vorgelegen hat. Behauptungen, die zu den polizeilichen Ermittlungen geführt haben, wurden erfunden. Die Opfer behaupteten die Taten, um von anderen Problemen, beispielsweise schlechten schulischen Leistungen, abzulenken. In Scheidungs- und Trennungssituationen behauptete ein Elternteil gelegentlich, dass das gemeinsame Kind vom anderen Elternteil misshandelt werde. Bezweckt waren damit eigene Vorteile im Streit um das Sorgerecht.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) erfasst nach der allgemein üblichen Definition das Hellfeld und damit die gesamte amtlich bekannte Kriminalität. Als Gegenstück umfasst das Dunkelfeld die Gesamtheit der nicht statistisch registrierten Kriminalität. Die Summe aus Dunkelfeld und Hellfeld soll demnach die tatsächliche Kriminalitätslage beschreiben.

Entscheidend dabei ist aber, dass die PKS eben nicht nur Kriminalität erfasst. Kriminalität umfasst nur Straftaten und die PKS enthält, wie oben erläutert, eben nicht nur Straftaten, sondern auch Sachverhalte, die sich als strafrechtlich nicht relevant erweisen. Damit wird die registrierte Kriminalitätslage überbewertet und Fälle ins Hellfeld einbezogen, die nach der Definition eigentlich nicht dazugehören.

Deswegen sind die Begriffe Hellfeld und Registerfeld zu unterscheiden. Das Registerfeld erfasst alle registrierten Sachverhalte (also das, was nach der üblichen Definition zum Hellfeld gehört). Das Hellfeld stellt die registrierten Taten dar, die tatsächlich strafrechtlich relevant sind. Bei diesem speziellen Delikt ergibt sich damit eine Abweichung von über 25%. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, beide Begriffe zu verwenden und nicht die Größe von Hellfeld und Registerfeld gleichzusetzen.

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Beweissicherung bei anfallsbedingten Unfällen im Straßenverkehr

Der Beitrag befasst sich mit Aspekten des Strafverfahrens nach einem Unfall, der dadurch entstanden ist, dass ein Autofahrer während der Fahrt einen Krampfanfall erlitten hat. Je nachdem, ob Personen verletzt oder sogar getötet werden, geht es um die Delikte Totschlag (§ 212 StGB), fahrlässige Tötung (§ 222 StGB), vorsätzliche Körperverletzung(§ 223 StGB), fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB), die sowohl vorsätzlich, fahrlässig oder in einer Kombination aus Vorsatz und Fahrlässigkeit begangen werden kann. Es kommt außer auf die eingetretenen Folgen auch darauf an, ob ein Beschuldigter von seinem Anfallsleiden weiß (Erstereignis oder bereits mehrere Anfälle) und darauf, ob eine medikamentöse Einstellung erfolgt ist und die Medikamente aktuell regelmäßig genommen werden.

Der Bundesgerichtshof bejaht in seiner Rechtsprechung bereits beim Vorliegen einer entsprechenden Grunderkrankung (Anfallsleiden) eine konkrete Gefahr im Sinne der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB. Es sei prägende Eigenart dieser Krankheit, dass das Risiko einer Wiederholung von Anfällen grundsätzlich nicht unerheblich ist und der Betroffene jederzeit keine Kontrolle mehr über die Situation haben könne.

Es kommt also entscheidend auf die Frage an, ob ein Anfallsleiden vorliegt und ob der Fahrer (also der spätere Beschuldigte) von diesem Anfallsleiden wusste und die verordneten Medikamente eingenommen hat. Der Beschuldigte kann von seinem Schweigerecht Gebrauch machen. Er muss auch seinen behandelnden Arzt nicht von der Schweigepflicht entbinden. Daher kann es schwierig sein, das Vorliegen eines bekannten Anfallsleidens sicher zu bejahen. Möglich kann ein Beweis durch Zeugen sein. Zeugen, die regelmäßig mit dem Beschuldigten zu tun haben, kennen dies möglicherweise oder wissen von der Einnahme von Medikamenten zur Behandlung des Anfallsleidens. Das Problem dabei ist nur, dass Verwandte des Beschuldigten, die über die Krankheit informiert sein könnten, häufig ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO haben. Ein Beweis durch Zeugen kann in der Praxis daher mit einem besonders großen Aufwand verbunden sein.

Daher kann bei ausreichenden Verdachtsmomenten eine Durchsuchung beim Beschuldigten angeordnet werden, um nach Medikamenten oder anderen Hinweisen auf eine bekannte Grunderkrankung zu suchen. Es können auch Arztbriefe beschlagnahmt werden. Diese unterliegen keinem Beschlagnahmeverbot. Diese Durchsuchungen müssen zeitlich sehr dicht nach dem Unfall durchgeführt werden, da ansonsten die Möglichkeit besteht, das Beweismittel von anderen Personen versteckt werden. Insofern stellt sich die Frage, wer die Durchsuchung anordnen muss.

Grundsätzlich ist für eine Durchsuchung ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich. Nur bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei erfolgen. Die Durchsuchung muss jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Der Eingriff gegenüber dem Beschuldigten darf daher nicht außer Verhältnis zum Interesse an der Strafverfolgung stehen. Namentlich kommt es dabei auf die Höhe der zu erwartenden Strafe an. Da aber vor Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses unklar ist, welche Delikte konkret vorliegen können, ist die Prognose sehr vage.

Daher ist es in einem folgenden Strafverfahren von großer Bedeutung, die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung zu prüfen. Lagen alle Voraussetzungen für die Durchsuchung vor? War ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich? Durfte die Polizei die Durchsuchung anordnen? Gab es formelle Fehler? Wurden Gegenstände mitgenommen, die einem Beschlagnahmeverbot unterliegen? Fand die Durchsuchung nur in den Räumlichkeiten statt, die vom Durchsuchungsbeschluss erfasst waren? Hier bieten sich mehrere Ansatzpunkte der Verteidigung durch einen Rechtsanwalt und Strafverteidiger.

Falls der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig ist, folgt dann hieraus ein Verwertungsverbot? Muss die Einführung der Ergebnisse der Durchsuchung in der Hauptverhandlung durch den Verteidiger des Beschuldigten (beziehungsweise des Angeklagten) gerügt werden? Ist eine Verwertung ohne Rüge zulässig?

Mit der Durchsuchung kann möglicherweise auf eine Grunderkrankung geschlossen werden. Zur Feststellung, ob die Medikamente genommen wurden, bedarf es einer Blutprobe. Diese kann auf Grundlage von § 81a StPO beim Beschuldigten entnommen werden. Auch hier bedarf es grundsätzlich einer richterlichen Anordnung. Hier ist es jedoch leichter zu rechtfertigen, wenn keine richterliche Anordnung vorliegt. Jedoch kann sich auch hier wieder ein Verwertungsverbot ergeben. Beispielsweise gibt es in einigen Gerichtsbezirken generellen Anweisungen an die Polizei, dass in diesen Situationen immer Gefahr im Verzug vorliege und deswegen eine Anordnung durch die Polizei stets möglich sein. In diesen Fällen gehen die Gerichte von einem Verwertungsverbot aus. Die Ergebnisse der Blutprobe können vor Gericht daher nicht gegen den Beschuldigten verwendet werden. Zu den Verwertungsverboten gibt es eine sehr differenzierte Rechtsprechung. Eine effektive Verteidigung ist in der Praxis in solchen Fällen nur durch einen Rechtsanwalt und Strafverteidiger möglich.

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