Pflichtverteidiger, wenn Nebenklage durch Rechtsanwalt vertreten ist

Pflichtverteidiger, wenn Nebenklage durch Rechtsanwalt vertreten ist

OLG München 5 St RR 129/05 (13.12.2005)

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Der Angeklagte, der nicht von einem Rechtsanwalt vertreten wurde, erklärte zunächst Rechtsmittelverzicht, legte dann aber Revision ein und machte geltend, es habe ein Fall der notwendigen Verteidigung vorgelegen. Der Verletzte der Körperverletzung war als Nebenkläger am Strafverfahren beteiligt und wurde von einem Rechtsanwalt vertreten. Nach dem Anschluss der Nebenklage vor der Hauptverhandlung beantragte der Angeklagte die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Über den Beiordnungsantrag hat das Gericht nicht entschieden.

Grundsätzlich kann auch ein Rechtsmittelverzicht durch einen Angeklagten wirksam sein, hier ist der Verzicht jedoch unwirksam. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hatte bereits entschieden, dass ein Verzicht unwirksam ist, wenn sich der Angeklagte nicht mit seinem Verteidiger besprechen kann. Wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt und der Angeklagte keinen Anwalt (Pflichtverteidiger oder Wahlverteidiger) hat, gilt dies ebenso. Im Fall der notwendigen Verteidigung entspricht das der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung. In neuerer Rechtsprechung werden weitere Umstände gefordert, die über das bloße Fehlen eines Pflichtverteidigers bei notwendiger Verteidigung hinausgehen.

Hier lag ein Fall der notwendigen Verteidigung vor. Dies ergibt sich zwar nicht aus der Schwere der Tat, die sich wesentlich aus den zu erwartenden Rechtsfolgen ergibt. Eine starre Grenze für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verteidigers gibt es nicht. Aufgrund der Straferwartung war die Beiordnung eines Pflichtverteidigers jedoch erwägenswert.

Aufgrund der Tatsache, dass auch die Nebenklage durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ergab sich die Notwendigkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers für den Angeklagten. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens.

Da die Mitwirkung eines Verteidigers erforderlich war und der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht von einem Rechtsanwalt vertreten wurde, liegt der absolute Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 5 StPO vor.