Tötung des Angreifers in Notwehr
BGH 2 StR 311/12 (21.11.2012)
Der Angeklagte wurde nach zunächst verbaler Auseinandersetzung mit den beiden Geschädigten von diesen angegriffen. Er hatte ein Messer mit einer Klingenlänge von 7 cm dabei. Zumindest einer der Geschädigten hatte eine sehr kräftige Statur. Der Angeklagte stach das Messer einem der Geschädigten zweimal ins Bein und einmal ins Gesäß. Dabei wollte er den Geschädigten verletzen, aber nicht töten. Dann griff auch der andere Geschädigte, der zuvor den Begleiter des Angeklagten bewusstlos geschlagen hatte, den Angeklagten an. Der Angeklagte stach mit der Absicht, den Geschädigten zu töten, einmal in die linke Brust. Dieser überlebte den Angriff. Der andere Geschädigte starb an den Blutungen im Bein.
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der Bundesgerichtshof hob die Verurteilung auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück, weil die Körperverletzungen durch Notwehr gerechtfertigt sein könnten.
Eine Notwehrlage lag auch nach Auffassung des Landgerichts vor, weil ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf den Angeklagten vorlag. Eine Rechtfertigung durch Notwehr setzt jedoch auch eine Notwehrhandlung voraus. Dafür ist es erforderlich, dass die Verteidigung auch erforderlich war. Die Kernfrage ist dabei, ob der Angeklagte die Anwendung des Messers hätte androhen müssen. Die Tat ist zumindest dann gerechtfertigt, wenn das mildeste zur Verfügung stehende Mittel eingesetzt wird. Dabei braucht sich der Angegriffene nicht dem Risiko einer ungenügenden Verteidigung auszusetzen. Auch die Tötung eines Menschen kann durch Notwehr gerechtfertigt sein. Grundsätzlich ist es nach der Rechtsprechung vor dem Einsatz eines Messers erforderlich, dessen Einsatz anzudrohen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das Risiko, dass die Drohung keine Wirkung entfaltet, so hoch ist, dass dem Angegriffenen die Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeit nicht zugemutet werden kann. In diesem Fall ist aufgrund der Feststellungen des Landgerichts nicht ersichtlich, dass der Angeklagte eine hinreichende Möglichkeit hatte, den Einsatz des Messers anzudrohen, ohne sich damit in seiner Verteidigungsmöglichkeit einzuschränken.